Korea - widerwillens geteiltes Land
Bericht und Fotogalerie von der Demilitarisierten Zone
Anfang des Jahres 2014 hatte ich in Südkorea in Seoul - in der Höhle des Löwen (im Entwicklungslabor von Samsung Electronics) - zu tun. Hier mein Bericht über einige Erlebnisse am Rande.
Korea – geprägt von der Teilung – zerrissen in Nord- und Südkorea. In diesem Land verbinden sich Tradition und Moderne auf seltsame Weise. Hier aus beruflichen Gründen, habe ich in kurzen Momenten abseits meiner Verpflichtungen einige Schnappschüsse machen können. Mangels Systemkamera im Gepäck hat das mein Android-Smartphone erledigt. Sorry, die Fotos sind nicht immer elegant, aber informativ.
Seoul
In der 24-Millionen-Metropolregion von Seoul war ich auf der im Gelben Meer vorgelagerten Insel Yeongjongdo gelandet. Über die 12,3 Kilometer lange Incheon-Brücke gelange ich auf das Festland der Seoul-Region. Mit dem Shuttle-Bus erreiche ich mein Hotel im Süden der Metropolregion. Ziel erreicht mit einem Bus mit freiem WiFi für das Internet. Breite Plätze – natürlich mit Sicherheitsgurt - vermitteln das Gefühl, man säße im heimischen Fernsehsessel und schaue sich eine Fernsehdokumentation über Seoul an.
Im 27. Stock meines Hotels blicke ich von oben auf die Stadt. Meine ersten, spontanen Eindrücke von Korea und Hauptstadt: In der vollgestopften Riesenstadt – ähnlich so groß wie die Tokio-Metropolregion – treffe ich sehr freundliche, hilfsbereite und gastfreundliche Menschen. Das geht einher ohne Hektik, mit viel Zusammenhalt, traditionellem Denken und einer Technologie-Basis im Alltag und Umfeld, die Mitteleuropa vergleichsweise rückständig aussehen lässt.
Ansonsten – trockenes, prächtiges Sonnenwetter bei eisigen Minusgraden. Mitten im Januar, ist Seoul vielerorts noch weihnachtlich geschmückt. Während in Deutschland gerade die Sonne aufgeht, ist es hier schon gegen 16:00 Uhr. Gehe noch was essen und dann ab in die Kiste nach dem überlangen Tag aufgrund Anreise und Zeitverschiebung. Morgen und die Folgetage gibt es viel zu tun für mich bei einem Aushängeschild Koreas für Innovation und Technologieentwicklung.
Am nächsten Tag ungewöhnlich das mittägliche Lunch. Ich kam in das Restaurant mit meinem koreanischen Mitarbeiter. Alle zogen sich die Schuhe aus und ab ging es in die gute Stube. Alle Gäste saßen auf dem Fußboden an ca. 30 cm hohen Tischen. Das Essen war noch gar nicht auf dem Tisch, da waren meine Beine schon erbarmungslos eingeschlafen. Nach dem Essen vor dem Restaurant genehmige ich mir bei einem Smalltalk einen Dosen-Kaffee aus dem Heißgetränkeautomaten.
Alles scheint in vollendeter Automatisierung begriffen. Selbst die Toilette in Hightec-Ausführung ähnelt eher einem Schaltpult an der CNC-Maschine. Welcher der vielen, bunten Knöpfe ist zum Spülen da? Die Schriftzeichen neben den Knöpfen sind mir fremd.
Mir erscheint das Land wie eine gelungene Synthese. Einerseits gewaltige technologische Fortschritte, ein immenser Automatisierungsgrad in allen Lebenslagen und mächtige Werkzeuge zur Kommunikation an jedem Ort. Andererseits Menschen, die trotzdem Traditionen und Werte ihres sozialen Daseins in der Gruppe behalten haben, die die Vorzüge der Gemeinschaft, des Für- und Miteinander bewusst nutzen, denen Lebensfreude auf Schritt und Tritt anzumerken ist. Vielleicht macht das die Fähigkeit aus, ganz besondere Leistungen in der Wertschöpfung, Inspiration, Kreativität und Innovation vollbringen zu können.
Auch einfache Arbeiten werden hier mit sichtbarer Würde erledigt und auch mit Achtung von den Mitmenschen wahrgenommen. Alles hat seinen Platz und seine Bedeutung. Jeder – unabhängig von Stand und Titel – hat seinen Platz und verdient darin Achtung.
Das Dinner am Abend erfolgte zum Glück wieder eine Etage höher am Esstisch. Auf einem im Tisch eingelassenen Grill wurde Lammfleisch nach allen Regeln der kulinarischen Kunst, der Zutaten, der Zubereitung und des Präsentieren dargeboten. Natürlich darf da auch der Reisschnaps nicht fehlen. Ihn abzulehnen, würde den Gastgeber beleidigen. Nur das Bier passte da nicht in die Runde. Bei den Koreanern wird es aber immer beliebter. Trotzdem – hoch lebe jetzt die koreanische Kochkunst. Mein Kollege aus San Francisco, der hier schon öfters einkehrte, spricht den Inhaber direkt an. Er empfehle ihm dringend ein weiteres Lokal dieser Art in San Francisco zu eröffnen. Die dort Ansässigen würden ihm aus Überdruss über den vielen Fastfood die Bude einrennen. Das Gleiche könnte ich mir in Deutschland vorstellen. Die Koreaner sprechen und lernen übrigens gern von Deutschland.
Ich kann mich des wiederholten Eindrucks nicht erwehren – hier in Korea geht die Zukunft ab – und zwar schon heute. Und das, nach diesem Alles vernichtendem Koreakrieg in den 50gern in drei Jahren und einem Monat. Rund eine Millionen Soldaten und drei Millionen Zivilisten fanden den Tod. Die Infrastruktur des Landes und die Industrie waren vollständig zerstört. Die Koreaner führten bei diesen grauenhaften Verlusten letztlich doch nur einen Stellvertreterkrieg. Nicht nur dieser Krieg zeigte der Welt in besonderer Weise auf die Sinnlosigkeit von Kriegen und deren kollateralen Folgen für alle Beteiligten.
Mich beeindruckt das Land. Andererseits frage ich mich, wann gibt es auch hier wieder ein Zusammenwachsen – so, wie es Deutschland erfahren hat. Getrennt ist dieses Korea seit dem Waffenstillstand am 27. Juli 1953 – wie ich immer wieder höre, schmerzhaft für die normalen Menschen des Landes. Die Führungsetagen beider Gesellschaften leben weiter ihr Hegemoniestreben aus. Sieht man sich ihre Politik an, leben sie heute noch im Kriegszustand. Das Säbelrassen wird jährlich gerade im Frühjahr wieder hörbarer – der Zeit der Militärmanöver. Beide Seiten nehmen sich da Nichts – keiner will nachgeben. Unverholen gibt es von beiden Seiten immer wieder gewaltige Drohgebärden.
An der DMZ
Zur Zweiteilung von Korea kam es im Ergebnis des → Koreakrieg (25. Juni 1950 bis 27. Juli 1953). Korea ist das Land eines verherrenden Stellvertreterkrieges. Bis heute gab es keinen Friedensvertrag. Stattdessen gab es einen Waffenstillstand und die Einrichtung der DMZ – der Mauer Ostasiens. Für die Öffentlichkeit ist diese Mauer nicht sichtbar. Die Öffentlichkeit ist sich nur bewusst einer Linie, die sie nie betreten kann und an der sich gewaltige Militär- und Waffenpotentiale gegenüberstehen. DMZ steht als Abkürzung für → Demilitarisierte Zone. Die Koreaner entfremden für diese Linie ihr Land – genau 4 x 248 Kilometer – macht 992 Quadratkilometer, gespickt mit heimtückischen Landminen.
Zum Zeitpunkt der Einrichtung war die DMZ eine Linie zwischen weltpolitischen und militärischen Gegnern auch außerhalb Koreas. Wir finden hier nicht eine übliche Staatsgrenze mit Grenzsteinen und einer markierten Grenzlinie vor. Hier wurde eine Militärische Demarkationslinie (Abkz. DML) eingerichtet. Zu beider Seiten verläuft eine ganze territoriale Zone auf einer Gesamtbreite von vier Kilometer zur Trennung der beiden koreanischen Staaten quer über die koreanische Halbinsel von West nach Ost etwa in Höhe des 38. Breitengrades.
Die DMZ erscheint wie ein Niemandsland. Den Begriff “Niemandsland” kennt das internationale und Völkerrecht nicht. Hier ist der Begriff im inoffiziellem Sinne aber passend für ein totes und unwirtliche Land. Dieses Land ist herrenlos, unbesiedelt, unbewirtschaftet, entlang einer Frontlinie. An mehreren Bereichen ist es unterwühlt mit geheim vorangetriebenen Tunneln für geplante, aber nie ausgeführte militärische Interventionen von Kommandoeinheiten.
Und – wie fühlt sich Jemand aus der Mitte Deutschlands an der DMZ? Man könnte meinen, bis hierher war es ein langer Weg. Er begann an der ehemaligen Nahtlinie zwischen zwei gewaltigen Militärpakten in einem gespaltenen Deutschland. Er endet hier an der Demarkationslinie in Ostasien zwischen zwei alten/neuen Welten. Viele Gedanken wallen in mir auf, als ich da stehe. Ich sehe aber auch Verpflichtung für die Zukunft. Auf alle Fälle – es war für mich eine neue » Grenzgeschichte.
Derweil begehe ich hier verschiedene Punkte der koreanischen “Nahtline” direkt entlang der Sperrzäune. Ein trockener und eisiger Wind weht den Besuchern entgegen. Der Wunsch keimt, mal die Seite zu wechseln, um den Menschen dort drüben begegnen zu können. Natürlich – so ein Ausflug bliebe nicht folgenlos.
Leider konnte ich mit meiner Smartphone-Kamera nicht mehr Details hervorbringen. Es mangelte mir an Zeit – vielleicht habe ich irgendwann mehr davon. Es mangelte mir auch an Objektiv und Stativ. Fotoerlaubnis gab es nur eingeschränkt. Militärische und technische Details der DMZ sollen nicht in die Öffentlichkeit. Am Aussichtspunkt auf einem Berg entlang der DMZ war das Fotografieren nur bis zu einer gelben Linie erlaubt, die etwa zehn Meter entfernt war vom eigentlichen vordersten Beobachtungspunkt (siehe Foto Nr. 035). Akribisch wachte ein koreanischer Soldat über die Einhaltung (Foto Nr. 036).
Seit einigen Jahren gibt es an dieser Demarkationslinie eine sichtbare Hoffnung zur Überwindung der koreanischen Teilung – die Freiheitsbrücke. Sie bildet eine direkte Bahnverbindung zwischen Nord- und Südkorea über den Grenzfluss und wird nur gelegentlich, ehern selten benutzt bei vagen Versuchen der politischen oder wirtschaftlichen Annäherung.
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Foto-Galerie - 85 Momentaufnahmen aus Korea
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